FAQ | Vagateering

WIE FINDE ICH SERIÖSE VOLUNTEERING-PROJEKTE?

Ein Leitfaden in 11 Punkten

Sich als Reisender für Menschen, Tiere und die Umwelt einzusetzen, ist eine wunderbare Idee. Im Voluntourismus liegt die große Möglichkeit, andere Lebensrealitäten kennenzulernen und so die eigene besser einordnen zu können. Doch leider haben nicht alle Anbieter ein ehrliches Interesse daran, etwas Positives im Gastgeberland zu bewirken. Natürlich ist es nicht seriös, wenn du gutgläubig in einem Projekt verwaiste Löwenbabys aufziehst, dir aber verschwiegen wird, dass die Tiere später GroßwildjägerInnen zum Abschuss freigegeben werden. Schwarze Schafe gibt es – wie überall – leider auch im Voluntourismus. 

Um sicherzustellen, dass du bei deiner Recherche ein seriöses und zu dir passendes Projekt findest, haben wir einen Leitfaden mit 11 Punkten zusammengestellt.

1 | DEFINIERE DEIN REISEZIEL

Die Auswahl an Volunteering-Möglichkeiten ist unübersichtlich groß. Deshalb ist es nötig, deine Suche einzuschränken, in dem du dir zunächst überlegst, in welchem Land du als FreiwilligenhelferIn arbeiten möchtest. In Ländern mit einer besonders hoher Dichte an Natur- und Umweltschutzprojekte hilft es sogar, sich schon über die Region im Klaren zu sein. Hier erfährst du, wie genau dir das hilft, wenn du abseits der großen, kommerziellen Plattformen auf eigene Faust nach einem passenden Projekt recherchieren möchtest.

2 | WERDE DIR ÜBER DEINE INTERESSEN UND STÄRKEN BEWUSST

Du selbst und das Projekt profitieren von deinem Engagement am meisten, wenn deine Interessen und Fähigkeiten zu dem passen, was vor Ort gebraucht wird. Wenn du dir zuhause nicht zutraust, in einem Kindergarten oder Krankenhaus zu arbeiten, solltest du diese Art von Aufgaben auch im Ausland nicht in Betracht ziehen. Armutsorientiertes Marketing, das beispielsweise Waisenhäuser inszeniert, ist ethisch höchst fragwürdig. Lass dich bei der Projektwahl stattdessen von deinen Leidenschaften, Interessen und Stärken leiten. Per E-Mail oder in einem Videotelefonat kannst du vorab die Aufgaben im Freiwilligendienst besprechen und dich vorab darauf vorbereiten. In welchen verschiedenen Bereichen Volunteering möglich ist, erfährst du in diesem Beitrag.

3 | ÜBERLEGE, WIE VIEL ZEIT DU INVESTIEREN WILLST

Die einfachen Umstände sind meist die schönsten: Campleben im Dschungel

Seriöse Organisationen bieten meist gar keine Kurzaufenthalte an. Wie ihm jedem Job benötigt man auch im Freiwilligendienst eine gewisse Zeit, bis man eingearbeitet ist und sich in der neuen Umgebung eingewöhnt hat. Jede Einarbeitung bindet zeitliche und menschliche Ressourcen. Dauert sie länger, als man effektiv im Projekt eingebunden ist, ist unterm Strich niemandem geholfen. Deshalb wird je nach Programm ein Mindestaufenthalt von zwei oder drei Wochen gefordert. Kurzzeitigere Aufenthalte haben vor Ort meist gar keinen Nutzen oder können, beispielsweise im Falle einer Arbeit mit Kindern, sogar deutlich mehr Schaden anrichten als Positives bewirken. Generell gilt: je mehr Zeit du am Stück investieren kannst, desto besser fürs Projekt und desto intensiver dein Erlebnis.

4 | UNTERKUNFT UND VERPFLEGUNG

Je nach Land und Projekt kann die Unterbringung von einer voll ausgestatteten Ferienwohnung (vgl. Wir werden Walforscher) bis hin zu einem einfachen Forschungscamp im tiefen Dschungel alles sein (vgl. Wir werden Meeresbiologen). Ebenso variiert die Verpflegung: mancherorts wirst du bekocht, in anderen Projekten übernimmst du die Zubereitung der Mahlzeiten selbst. Frag dich, mit welchen Standards du für die Dauer deines geplanten Projektaufenthalts auskommen möchtest.

5 | VORAUSSETZUNGEN UND KENNTNISSE

Unterschiedliche Einsatzgebiete setzen unterschiedliche körperliche und sprachliche, manchmal auch fachliche Anforderungen oder praktische Erfahrungen voraus. In den Projektbeschreibungen sollten sie beschrieben sein: Bist du zum Beispiel in der körperlichen Verfassung, stundenlang in tropischem Klima zu arbeiten? Reichen deine Sprachkenntnisse (nicht immer reicht Englisch)?
Hast du mit Hilfe der ersten fünf Punkte ein potentiell passendes Projekt gefunden, helfen dir die folgenden Punkte dabei, zu bewerten, ob es sich um ein seriöses Schutzprojekt handelt.

6 | HINTERFRAGE DIE ETHISCHEN STANDARDS

In ihrem Buch erklärt Alice Hasters White Saviorism  in Bezug auf Volunteering-Jobs

Die Interessen der lokalen Gemeinschaft sollten in jedem Projekt an erster Stelle stehen. Ohne die Einbindung Einheimischer kann nachhaltiger Naturschutz nicht gelingen. Die kulturelle Sensibilität und der Respekt gegenüber der lokalen Kultur müssen gefördert werden und der Projektnutzen langfristig und nachhaltig angelegt sein. Die Arbeit mit Tieren muss artgerecht und nach Tierschutzrichtlinien erfolgen. Wenn du dich beispielsweise für den Schutz von Meeresschildkröten einsetzen willst, du vor Ort aber feststellen musst, dass nachts eingesammelte Schlüpflinge tagelang in Kisten festgehalten oder wider ihrer Natur tagsüber am Strand ausgekippt werden, damit zahlende Tourist*innen sie beobachten können, dann ist an der Organisation etwas faul.
Noch kritischer müssen jegliche Projekte mit Kindern hinterfragt werden, die feste und fachlich geschulte Bezugspersonen brauchen, statt ständig wechselnder Volunteers. Worauf es dabei im Detail ankommt, erfährst du in unserem Beitrag XY. Weil White Saviorism (wenn weiße Menschen meinen, BIPoC retten zu müssen) und der auf ausbeutenden Strukturen des Kinderhandels gebaute, sogenannte Waisenhaustourismus (mehr als drei Viertel der Kinder haben laut UNICEF-Untersuchungen lebende Eltern) reale Probleme sind, raten wir an dieser Stelle bereits prinzipiell von Volunteer-Jobs in Waisenhäusern ab.

7 | TRANSPARENZ IM UMGANG MIT KOSTEN

Die häufig gestellte Frage, warum man für seine Freiwilligenarbeit in vielen Organisationen Geld bezahlen soll, beantworten wir dir in dem Beitrag Warum Freiwilligenarbeit Geld kostet.
Wenn du bei deiner Recherche auf ein passendes, kostenpflichtiges Projekt gestoßen bist, prüfe, ob transparent und nachvollziehbar dargelegt wird, wie sich der Preis zusammensetzt und wofür dein Geld verwendet wird. Hake im Zweifel nach und fordere genaue Informationen an.
Willst du über eine der kommerziellen Volunteering-Plattformen buchen, solltest du zusätzlich erfragen, wie viel Prozent deines Geldes tatsächlich im Projekt ankommen wird.

8 | ORIENTIERUNG UND SICHERHEIT

Eine verantwortlich handelnde Organisation sollte dir eine angemessene Einführung in das Projekt geben und deine kulturelle Sensibilisierung fördern. Erkundige dich auch nach getroffenen Sicherheitsmaßnahmen und den örtlichen Möglichkeiten medizinischer Versorgung im Abgleich mit deinem Versicherungsschutz. 

9 | DER BEWERBUNGSPROZESS

Es mag auf den ersten Blick übertrieben scheinen, dass manche Organisationen deinen Lebenslauf, ein Anschreiben und ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen. Tatsächlich aber ist es ein gutes Zeichen und sollte überall Standard sein. Denn an der Mühe und Zeit, die in gutes Matchmaking investiert wird, sei auch die Qualität kommerzieller Anbieter zu erkennen, sagt Antje Monshausen in einem kürzlich veröffentlichten Artikel (Der Spiegel, 14.01.2024, Urlaub machen und helfen). Die Leiterin von Tourism Watch bei Brot für die Welt erklärt, dass grundsätzlich Vorsicht geboten sei, wenn nur ein Produkt verkauft werde, ohne dabei ausführlich nach der Motivation des Kunden und dessen Wissens- und Sprachkompetenzen zu fragen.
Für uns hat sich außerdem bewährt, ein Videotelefonat zu vereinbaren. So können beide Seiten ein Gefühl dafür entwickeln, ob man zusammenpasst, und man kann Fragen stellen.

10 | LIES ERFAHRUNGSBERICHTE

Wenn du noch mehr über die Glaubwürdigkeit eines bestimmtes Projekts erfahren möchtest, kann es helfen, Google-Bewertungen und Kommentare auf Instagram und Facebook zu lesen. Über die sozialen Medien kannst du auch mit früheren Freiwilligen eines potenziell infrage kommenden Projekts Kontakt aufnehmen und nachfragen. 

11 | VERTRAUE DEINEM BAUCH

Neben all den Fakten solltest du abschließend deiner Intuition folgen. Das Volunteering-Projekt sollte deinen Werten, Zielen und Überzeugungen entsprechen. Du solltest nach deiner ausführlichen Recherche und nach Gesprächen mit der Organisation über Video oder Mail ein gutes Gefühl haben.

Die elf Punkte des Leitfadens kannst du auf die Volunteering-Angebote der großen, kommerziellen Plattformen anwenden. Sie helfen dir aber ebenso, wenn du dich für die Suche nach dem richtigen Projekt auf eigene Faust in die Tiefen des Internets begibst. Für Letztere haben wir ein paar Tipps und Tricks in einem gesonderten Beitrag zusammengetragen. ∎